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Der Wien-Marathon und der olympische Traum

Beim Vienna City Marathon geht es am Sonntag für die Eliteläufer nicht nur um den Sieg und mögliche Rekorde oder Bestzeiten sondern noch um etwas anderes: Eine Reihe von Läufern wollen sich bei Österreichs bedeutendster Laufveranstaltung noch ihren olympischen Traum erfüllen. Zeiten von mindestens 2:08:10 beziehungsweise 2:26:50 sind mindestens nötig, um noch quasi „Last Minute“ einen Startplatz bei den Olympischen Spielen in Paris im Sommer zu erhalten.

Nazret Weldu, Julia Mayer und Rebecca Tanui gehen mit unterschiedlichen Zielen in Wien an den Start. Foto: VCM / Jenia Symonds

Eine Läuferin im Feld ist in Wien für alles gut - den Sieg, den Streckenrekord und die Olympia-Qualifikation. Nazret Weldu gilt als Favoritin und könnte bei der 41. Auflage des Rennens zudem den ersten Sieg für Eritrea erreichen. Die 34-Jährige ist die nationale Rekordhalterin mit einer Bestzeit von 2:20:29 Stunden. Trotz dreier sehr starker Rennen in den letzten knapp zwei Jahren steht Nazret Weldu immer noch ohne Olympia-Qualifikation da. 

Zunächst hatte sie bei den Weltmeisterschaften in Eugene 2022 als Vierte die Bronzemedaille um lediglich elf Sekunden verpasst. Da der Zeitraum für die Olympia-Qualifikation erst ein paar Monate später begann, gilt ihre Bestzeit von 2:20:29 nicht für einen Paris-Start. In Boston lief sie vor einem Jahr auf Rang sechs in 2:23:25. Doch die Strecke ist nicht rekord-konform, so dass auch diese Leistung nicht als Qualifikation galt. Bei der WM schließlich wurde Nazret Weldu im vergangenen Sommer in Budapest Achte, verpasste mit 2:27:23 in der Hitze aber die Norm. „Irgendwie stehe ich immer noch ohne Norm da. Wien ist jetzt meine große Chance am Sonntag“, sagte Nazret Weldu, die im äthiopischen Addis Abeba trainiert. 

„Ich trainiere in Addis, weil ich dort starke Trainingspartnerinnen habe“, erklärte die 34-Jährige, die unter anderen mit der Weltmeisterin von 2022, Gotytom Gebreslase, trainiert. „Ich möchte am Sonntag schnell laufen“, sagte Nazret Weldu, die eventuell auch den Streckenrekord von 2:20:59 angreifen könnte. „Wenn ich unterwegs merke, dass es nicht so gut läuft, gehe ich auf Nummer sicher und konzentriere mich nur auf das Unterbieten der Norm.“

Während die Kenianerinnen Shyline Torotich (Bestzeit: 2:22:45) und Rebecca Tanui (2:23:09) die voraussichtlich stärksten Konkurrentinnen von Nazret Weldu sein werden, hat Helalia Johannes mit 2:19:52 die beste Bestzeit unter den Eliteläuferinnen. Die Läuferin aus Namibia ist allerdings bereits 43 Jahre alt, so dass sie kaum noch in derartige Zeitbereiche laufen kann. Erreichbar ist für sie aber sicherlich die Olympia-Norm, die sie bisher noch nicht gelaufen ist. 

Julia Mayer hatte in Valencia im vergangenen Jahr mit einer überraschenden Steigerung auf die österreichische Rekordzeit von 2:26:43 die Olympia-Norm bereits unterboten. „Am Sonntag geht es für mich um eine möglichst gute Platzierung“, sagte Julia Mayer. Jovana de la Cruz Capani (Peru) hat zwar mit 2:26:49 die Norm bereits unterboten, doch sie ist damit national nur die Nummer vier. Um den dritten Startplatz einzunehmen, muss sie zumindest drei Sekunden schneller laufen.

Für die Top-Favoriten im Männerrennen geht es angesichts der enormen nationalen Konkurrenz in Kenia und Äthiopien nicht um Olympia. Chala Regasa (Äthiopien/2:06:11), Bethwell Yegon (2:06:14) und Felix Kibitok (beide Kenia/2:06:28) könnten stattdessen im Rennen um den Sieg auch Kurs nehmen auf persönliche Bestzeiten von unter 2:06 Stunden. Vielleicht geht es sogar in Richtung des hochkarätigen Streckenrekordes, den Samwel Mailu (Kenia) vor einem Jahr mit 2:05:08 aufstellte. 

„Dies wird mein zweiter Marathon und ich will mich nicht zurückhalten. Mein Ziel ist eine Zeit unter 2:06 Stunden“, sagte Chala Regasa, der 2019 schon einmal in Wien an den Start ging. Damals war er einer der Tempomacher, die Eliud Kipchoge zur Marathon-Sensationszeit von unter 2:00:00 Stunden führten. „Ich werde dieses Rennen und die Stadt Wien nie vergessen, wir haben damals Geschichte geschrieben.“ Als Vorjahres-Zweiter kehrt Bethwell Yegon nach Wien zurück. „Ich habe gut trainiert und wenn das Wetter stimmt und die Pacemaker in guter Form sind, dann können wir hier schneller laufen als vor einem Jahr und vielleicht sogar den Streckenrekord angreifen“, sagte der Kenianer.

Eine größere Männer-Gruppe nimmt die 2:08:10-Olympianorm ins Visier. Darunter sind der Belgier Lahsene Bouchikhi (2:08:36), Daniel Paulus (Namibia/2:08:40) und der Mexikaner Juan Pacheco (2:09:45). Dieses Trio hat voraussichtlich die besten Chancen, in Wien den Sprung nach Paris noch zu schaffen.

Österreichs Rekordhalter Peter Herzog (2:10:06) hofft nach langen Verletzungs- und Krankheitsproblemen auf ein gutes Rennen. Er trifft unter anderen auf seinen Landsmann Mario Bauernfeind (2:12:49) und den einzigen deutschen Läufer aus der erweiterten Spitze, Erik Hille (Haspe Marathon Hamburg/2:14:18).

Text: Jörg Wenig / Race News Service

Foto: VCM / Jenia Symonds